Einführung von Dr. Christfried Preußler


Die Schleier lichten sich

Die trennende Schicht, die unser Bewusstsein an der Wahrnehmung höherer Dimensionen hindert, wird dünner. Angesichts der Not unseres Zeitalters wird immer deutlicher: Das Rettende und Heilsame finden wir nicht in den Prinzipien, die unser Leben bisher beherrscht und die Not verursacht haben.

Heilsam für unsere Zeit und die Not abwendend sind jene Qualitäten, die mit dem weiblichen Prinzip verbunden sind: sich hinzugeben, annehmen zu können, zuzulassen und geschehen zu lassen, zu vertrauen, zu lauschen, zu staunen, unvoreingenommen zu sein – und die Essenz all dessen, nämlich bedingungslos zu lieben.

Nur mit Hilfe dieser Qualitäten kann es uns gelingen, den begrenzten Bereich der Ratio zu verlassen, die nur einen kleinen Teil unserer Wirklichkeit umfasst.

Nur so können wir mit der ganzen Tiefe unseres Seins erfahren, was jenseits unserer konstruierten Begriffswelten existiert, die das gesamte Universum in ein Schema pressen. Nur so überwinden wir die von unserem Geist geschaffenen Artefakte und erleben die überraschende und beglückende Fülle des Seins.

Carmen Schöllhorn ist eine Pionierin: eine Mittlerin zwischen Himmel und Erde; eine Wegbereiterin für eine Neue Zeit, in der der Mensch das Feine, Zarte und Subtile hinter all dem scheinbar Soliden, auf das sich unser bisheriges Alltagsbewusstsein bezieht, mehr und mehr wahrnehmen kann.

Ihre Bilder zeigen erstaunliche Phänomene. Wir können uns ihnen in einer beurteilenden Haltung nähern und versuchen, sie zu „erklären“. Wir können sie von einem ästhetischen Standpunkt aus betrachten. Wir können uns aber auch gestatten, uns ihnen – im Sinne der genannten weiblichen Qualitäten – unbefangen zu öffnen, und sie einfach auf uns wirken zu lassen. Dann werden wir berührt, dann kommen Schichten in uns zum Klingen, die wir bisher möglicherweise noch gar nicht kannten.

So kann in uns eine Ahnung entstehen, dass diese Welt der materiellen Erscheinungen, in der wir uns bewegen, nur Ausdruck von etwas Tieferem und Wirklicherem ist und dass der tragende Grund des Ganzen ein liebevolles Sein ist. Wir erkennen, dass unsere ganze Not daher rührt, dass wir uns von diesem liebevollen Sein abgetrennt haben, um nun in vielen Bereichen zu erleben, dass unsere intellektuellen Konzepte Schiffbruch erleiden; Konzepte, mit denen wir versuchen, etwas „in den Griff zu bekommen“ und zu kontrollieren, was dem Intellekt allein gar nicht zugänglich ist.

Dann kann der Ausweg aber nicht mit den Mitteln des Intellekts gefunden werden – er hat schon seine Aufgaben, aber nicht hier! −, sondern indem wir etwas ausbilden, das bisher unterdrückt und verschüttet war.

Das führt uns zu einer weiteren Ebene, auf der uns dieses Buch hilfreich sein kann: als Übungsbuch. Wir können, gewissermaßen an die Hand genommen von Carmen Schöllhorns Wahrnehmungsöffnungen in Bild und Wort, versuchen, selbst unsere Wahrnehmung zu erweitern und in allem, was uns begegnet, ein liebevolles Lebensprinzip unmittelbar zu erfahren − und dabei zu realisieren, dass die verschiedenen Bereiche unseres Lebens bedeutend vielfältiger sind, als es uns unsere fünf Sinne vorspiegeln.

Dies kann zu einer bedeutsamen Erfahrung führen: Wir sind nicht allein, sondern werden beständig begleitet von liebevollen Helfern. Alle Kulturen berichten von ihnen. Wir nennen sie „Engel“ oder „göttliche Wesen“.

Die Zeit des Verbindens, des Heilens, des Schaffens von Einheit ist gekommen. Und so geht es auch hier nicht darum, Ratio und Intellekt abzuschaffen, sondern diesen wertvollen Fähigkeiten ihren berechtigten Platz zu geben. Es ist kein Widerspruch und es schließt sich auch nicht gegenseitig aus, wenn wir „rational“ denken und gleichzeitig die Realität höherer Welten anerkennen. Dies zeigte bereits der 1947 verstorbene Physiker und Nobelpreisträger Max Planck. Es ist in unserer Zeit geradezu eine Notwendigkeit, diesen Schritt zu tun; jedoch nicht aus einem abstrakten oder äußeren Beweggrund, sondern aufgrund eigener Entwicklung und Erfahrung. Carmen Schöllhorns Buch kann eine großartige Hilfe sein, um in diese Erfahrung hineinzuwachsen.

So können wir ein lebendiges Bewusstsein dafür entwickeln, dass das Rettende und Heilsame nicht von uns Menschen „gemacht“ werden muss und auch gar nicht gemacht werden kann. Es wird geschehen, wenn wir uns als die großen „Macher“ auf dieser Erde erst einmal zurücknehmen und wahrnehmen, was das Leben auf der Erde und die Erde selbst letztendlich sind: ein unendlich dynamisches, vitales und einzigartiges Gewebe, in das wir viel zu manipulativ eingegriffen haben; in dem wir als Menschen eine großartige Rolle spielen können, aber eine ganz andere, als bisher. Eine neue Rolle, in der wir heilsam für die Erde sind, darüber hinaus aber auch bereichernd durch unser schöpferisches Tun; dies jedoch nur in der bewussten, liebevollen Verbundenheit mit allen Ebenen des Seins − zulassend, dass Hilfe geschieht, ohne dass wir alles „machen“ müssen.

So beginnen wir nun endlich teilzuhaben an der Fülle des Seins und freudig mitzuwirken am Tanz des Lebens, der sich auf dieser kostbaren Erde so vielfältig zeigt.

Dr. Christfried Preußler, Arzt aus Überlingen am Bodensee